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Wohnhaus von Martin Voigt, Postagent auf Papua-Neuiguina

Martin Voigt
Über die Kindheit und Jugend des 1878 in Elberfeld geborenen Martin Voigt ist nichts bekannt. Das
früheste Foto zeigt ihn als jungen Mann in der Ausgehuniform eines einfachen Soldaten mit Pickelhaube.
Danach absolvierte er eine Ausbildung zum mittleren Postbeamten und machte sich dann 1902 auf nach
Deutsch-Neuguinea, wo es ihm möglich sein sollte als junger Mann schnell eine Karriere zu machen, was
in den Kolonien damals möglich war. Gleichzeitig war es für abenteuerlustige Menschen auch eine
Möglichkeit den starren Konventionen in der Heimat zu entkommen.

Voigts Aufenthalt in der Kolonie im Pazifik ist dank seines erhaltenen Nachlasses gut dokumentiert.
Nach einer Fahrt nach Genua fuhr er von dort mit dem Schiff nach Singapur und schließlich mit einem
kleineren Schiff nach Berlinhafen auf Papua-Neuguinea. Sein Dienstort war Herbertshöhe, heute Kokopo,
den er am 20. September 1902 erreichte. Der Ort liegt auf einer Halbinsel der Insel Neubritannien, damals
Neu-Pommern und war das Verwaltungszentrum des Bismarck-Archipels. Hier lebten ca. 40 Europäer,
die meisten von ihnen Deutsche.

Voigts Postamt war ein Büro im Gouverneursgebäude der Insel. Neben der Arbeit als Postagent gehörte
zu seinen Aufgaben auch, den Sekretär des Gouverneurs in dessen Krankheitsfall zu vertreten. Das kam
relativ häufig vor, da die Malaria den Mann oftmals für Tage dienstunfähig machte. Voigt war in dieser
Position der oberste Postmeister gesamten Kolonie, der neue Postämter aufbauen und die bestehenden
visitieren sollte. Die Post aus Europa brauchte auf dem Seeweg etwa sechs bis sieben Wochen, bis sie in
der Kolonie ankam und andersherum dauerte es genauso lange. Die Postschiffe waren äußerst unrentabel,
wurden aber vom deutschen Staat aus Gründen des Prestiges aufrecht erhalten.

Das Ganze war, das merkte Voigt recht bald, für eine Person kaum zu managen, zumal auch er regelmäßig
an Malariaanfällen litt, die er aber in Briefen an seine Mutter als kleine Fieber herunterspielte. Er
beantragte daher zwei Hilfspostbeamte einzustellen, was ihm auch bewilligt wurde. Das waren zwei
Männer, Malatu und Moran, die als erste Mitglieder eines indigenen Volkes in den Postdienst kamen.
Einer der beiden hatte zuvor bei der Polizei gedient und hatte in den Postdienst gewechselt, wollte aber
dabei nicht auf die Uniform verzichten, die er im Polizeidienst hatte tragen dürfen. Voigt setze sich dafür
ein, schrieb Briefe und beantragte schließlich erfolgreich eine Uniform, die der der Polizei äußerst ähnlich
sah, was oftmals dazu führte, dass die beiden Postbeamten für Polizisten gehalten wurde. Um ihnen eine
Freude zu bereiten, ließ Voigt ihnen von seiner Mutter aus Elberfeld weiße Tonpfeifen schicken, eben
solche, wie wir sie heute in Weckmännern im November sehen können. Diese Pfeifen genossen beim
Volk der beiden Hilfsbeamten großes Prestige.

In seinen Briefen hat sich Voigt nicht ein einziges Mal über die indigene Bevölkerung Papuas negativ
oder despektierlich geäußert, sondern sprach im Gegenteil immer mit großer Wertschätzung von ihnen.
Voigt fotografierte auf seinen Dienstreisen über die Insel viel und sammelte auch Alltagsgegenstände der
einheimischen Bevölkerung. Beides tauschte er mit Missionaren, u. a. auch der Rheinischen Mission, aus.
Diese Ethnographica wurden 1997, nachdem sie Jahrzehnte auf dem Dachboden im Hause Voigt nicht
angerührt worden waren bei Christie‘s versteigert.

Am 14. August 1904 änderte sich das eigentlich recht beschauliche Leben Voigts. An diesem Tag erhielt
er eine Nachricht, die gar nicht für ihn, sondern für den Gouverneur Dr. Albert Hahl bestimmt war. In
diesem Schreiben teilte der Pflanzer Richard Miesterfeldt mit, dass die katholische Missionsstation St.
Paul von Melanesiern überfallen worden sei und für die Geistlichen höchste Gefahr drohe. Da der
Gouverneur nicht da war, war es Voigt, der schnell eine Truppe aus sechs deutschen Freiwilligen und
einheimischen Polizeisoldaten zusammenstellte.

Als die Gruppe an der etwa 80 Kilometer entfernten Kirche ankam, fanden sie zehn Angehörige der
Mission erschlagen in Kirche, Missionshaus und auf freiem Himmel vor. Die Station war verwüstet und
geplündert worden. Die Tat hatte sich bereits am 13. August ereignet. Neben dem Missionsleiter, Pater
Matthäus Rascher, fanden sich auch die Leichen von fünf Ordensschwestern. Dies Mission wurde vom
Orden des Herzen Jesu Christi betrieben.

Anlass für die Tat war das forsche Auftreten von Pater Rascher, der sich zwar als Ethnograph des Volkes
der Braining betätigte, aber scheinbar wenig Einfühlungsvermögen hatte. Die Gründe für die Morde
lassen sich auch nicht mehr feststellen. Laut der Kongregation zur Heiligsprechung, die von 1932 bis
2010 untersuchte, ob die zehn ermordeten Kleriker heilig zu sprechen sein, was aber nur der Fall ist, wenn
ihre Ermordung aus religiösen Motiven erfolgt hätte, ist aber die Motivation zur Bluttat schlicht nicht
erkennbar, was dazu führte, dass das Verfahren zur Heiligsprechung eingestellt wurde.

Ganz im Gegenteil zum Verfahren gegen die Mörder, die Voigt und sein Trupp schließlich aufspürten. In
einem Kampf, der sieben Tage dauerte, wurden 15 Angehöriger des Volkes der Braining erschossen, ob
dabei Täter dabei waren, ist nicht feststellbar. Nach dieser Zeit kam endlich der Regierungstruppe und
löste die Gruppe Voigts ab. Im Endergebnis fielen weitere Braininger, inklusive des Anführers der Täter,
To Mira. 18 weitere wurden festgenommen, sechs von ihnen wurden zum Tode verurteilt. Ihre Exekution
ist fotografisch festgehalten worden und findet sich im Nachlass Voigts. Für seinen Einsatz wurde Voigt
neuen Jahre später von Kaiser Wilhelm mit der Kolonialgedenkmünze am schwarz-weiß-roten Band
ausgezeichnet und zum Ober-Telegrafenassistenten befördert.

Voigt blieb insgesamt dreieinhalb Jahre in Papua. Gerne wäre er länger geblieben, doch sah er ein, dass
die Malaria auf Dauer nicht überleben würde und machte sich so Mitte Juni 1906 auf den Weg nach
Hause nach Elberfeld (Gerstenstr. 36), zog aber bald weg.

Heiko Schnickmann