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Rheinisch-Westindische Kompagnie

Die Kaufleute des Wuppertals waren seit dem Spätmittelalter nicht nur auf das Wuppertal beschränkt,
sondern sind in Köln und Essen in den Quellen zu finden. Seit dem 16. Jahrhundert, wenn nicht früher,
waren sie in Antwerpen und Amsterdam vertreten und verkauften ihre Produkte auch dort. Spätestens
aber in den überseeischen Häfen Europas endete ihre Kontrolle über Preis- und Angebotsgestaltung ihrer
Produkte und sie wussten nur allzu genau, dass ihre niederländischen, flämischen oder auch spanischen
Handelspartner mit ihren Produkten weit mehr Geld verdienten als sie selber. Was lag also näher, selbst in
die neue Welt aufzubrechen. Als es dann bedingt durch die napoleonischen Kriege immer schwerer wurde
die Produkte in Europa zu verkaufen, erschien die neue Welt mit ihren neuen unabhängigen Staaten und
Absatzmärkten unfassbar attraktiv.

Zunächst waren es nur einzelne. Die Elberfelder Firma Abraham und Brüder Frowein war der Pionier. Ab
1816, nur wenige Jahre nach der Unabhängigkeit Spanisch-Amerikas ließ sich Eduard Weber, ein Neffe
Abraham Froweins, in Port-au-Prince nieder und probierte von Haiti aus die Amerikas für die
Leinenprodukte seiner Firma zu eröffnen. Vorausgegangen waren dieser Unternehmung Versuche, in Nordamerika, vornehmlich New York, Fuß zu fassen. Das Unternehmen scheiterte jedoch am britisch-
amerikanischen Krieg zwischen 1812 und 1815, bei dem die Briten zahlreiche Schiffe beschlagnahmten.

Die Firma Frowein kostete dies 10.000 Reichstaler. Auch das sorgte dafür, dass man weiter südlich mehr
Hoffnungen hatte. Diese Hoffnungen gingen tatsächlich auf. bis 1832 hatte man neben Port-au-Prince
auch Lager mit Gütern in Havanna, Mexiko-Stadt, Buenos Aires, Lima und anderen Städten der Karibik
und Lateinamerikas.

Das Vorbild der Firma Frowein motivierte andere Kaufleute und die neuen politischen Verhältnisse nach
dem Fall Napoleons begünstigten dies. Die Herrschaft Preußens über das Bergische Land brachte
ungeahnte, neue Verbindungen und die alten Netzwerke bestanden weiterhin oder wurden reaktiviert.
Ein Kaufmann mit Namen Jakob Aders nutze diese neuen und alten Netzwerke 1821 für die Erweiterung

des Elberfelder bzw. Wuppertaler Außenhandels. Er lieferte die theoretische Grundlage für die Rheinisch-
Westindische Kompagnie, deren Ziel es war, die niederländischen und norddeutschen Handelsplätze zu umgehen und direkt mit Lateinamerika und der Karibik Handel zu treiben.
Hintergrund dessen war die Überlegung, die Wirtschaftskrise des frühen 19. Jahrhunderts zu überwinden,
indem man „auf den außereuropäischen Märkten eine Entschädigung für den Verlust der näher
gelegenen“ zu finden hoffte. Das Unterfangen, Märkte außerhalb Europas zu eröffnen, wurde von Aders
recht simpel rassistisch begründet, denn „die Aufmerksamkeit unserer Fabrikanten muß sich auch nach
fremden Welttheilen richten, wo keine Fabriken sind, und wo die Menschen in der Kultur noch so weit
gegen die Europäer zurückstehen, daß noch keine einheimische Konkurrenz zu fürchten ist“.
So ist es dann vielleicht auch kein Zufall, sondern dieser Überlegung geschuldet, dass Aders als erstes
Ziel des bergischen Direkthandels in Übersee den neu gegründeten „Negerstaat“ Haiti ins Auge fasste,
vom dem aus ja auch die Firma Frowein Erfolge eingefahren hatte. Keine vier Wochen später wurde die
Kompagnie durch 50 Aktionäre in großer Geschwindigkeit gegründet. Es handelte sich um die dritte
Aktiengesellschaft Preußens.

Aders Plan sah vor 140 Aktien zu je 500 Reichstalern zu verkaufen, um so 70.000 Taler zu bekommen,
mit denen die erste Ladung an Gütern nach Haiti verschifft werden sollte.

Dafür mussten aber zunächst einmal überhaupt Produkte gefunden werden, die den Weg in die Karibik
nehmen sollten. Der Plan war, dass Fabrikanten aus der rheinischen Provinz ihre Waren aufgaben, die
Kompagnie diese prüfte und sie schließlich verschiffte. Das Vorhaben verlief eher mau. War die
Begeisterung für eine Kompagnie anfangs so hoch gewesen, dass die Zeitung, in der Aders seinen Aufruf
zur Gründung veröffentlicht hatte am Tag, 13. Januar 1821, des Erscheinens ausverkauft war und
nachgedruckt werden musste, so hielten sich die Kaufleute und Fabrikanten doch zurück.
Wenn auch das Zustandekommen der ersten Lieferung recht mühselig abgelaufen war, so waren die
Finanziers der Kompanie kaum aufzuhalten. Bis in den November 1821 hatte man 410 Aktien
ausgegeben und somit einen Kapitalstock von 205.000 €. Die Begeisterung für das Unternehmen war aber
nicht nur rein wirtschaftlicher Natur. Das ganze Unternehmen war nicht nur ein rheinisches, wie der
Name sagte, sondern ein deutsches, so verstand es zum einen die Provinzzeitung, die der Kompanie viel
Tinte widmete, denn dort war man davon überzeugt, “dass sich die Kompanie mehr als vielleicht durch
direkten Gewinn, um das Vaterland verdient machen wird, sie hat darum auch umso mehr Ansprüche
auf Unterstützung des Patrioten. […] Mit Vergnügen sehen wir daher auch das Interesse an diesem
gemeinnützigen Unternehmen sich täglich allgemeiner über ganz Deutschland verbreitet.”

Zum anderen fand sich diese Stimmung auch im Deutschen Bundestag in Frankfurt. Dort richtete man
“innigste Wünsche für das Gedeihen und Fortschreiten ihres patriotischen Zwecks” aus.
Haiti sollte aber nur das Einfallstor für deutsche Produkte werden. Weil der Zulauf so groß war und die
Euphorie kaum zu stoppen, wurde auf der Sitzung des Direktorialrats am 22. November 1821
entschieden, auch in Mexiko eine Niederlassung zu eröffnen.

Die euphorische Entwicklung der Kompanie nahm auch Anfang des Jahres 1822 kein Ende. Die Berichte
aus Haiti zeigten Gewinnmargen von 20 bis 25 Prozent und sie war auch in Haiti als offizielles
Unternehmen zugelassen worden. Doch damit war der Zauber auch vorbei. Von den Abnehmern der
Produkte war zwar versprochen worden, die ausgehandelten Preise zu bezahlen, die Elberfelder wollten
den Gewinn in Kaffee ausgezahlt bekommen, doch dauerte es 13 Monate bis die erste Warenladung
komplett abgewickelt war. Dennoch wurden zwei weitere Schiffe ausgesandt und das geplante Vorhaben
in Mexiko weiter vorangetrieben, so ging eine Ladung im Wert von 350.000 Reichtstalern über den
Atlantik, allerdings unter englischer Flagge, da man so hoffte den wieder erstarkten Seeräubern entgehen
zu können. Ohne die Entwicklung in Mexiko abzuwarten, ergriff das Direktorium der Kompanie die
Initiative und beschloss im August, dass man auch in Buenos Aires eine Niederlassung gründen wollte.
Im März 1823 kam es zu einer ersten Bilanz, die klar für die Kompanie sprach: 383.100 Taler waren in
der Kasse, die Zahl der Aktien wurde auf 1000 begrenzt, so dass das Kapital der Kompanie auf 500.000
Taler festgelegt wurde. Zur Erinnerung: Die anfängliche Plan ging von 70.000 Talern aus. So konnte eine
Dividende von vier Prozent ausgezahlt werden, jede Aktie erhielt so 20 Taler.

Nach den anfänglich guten Ergebnissen ging es jeodch schnell bergab. Die Renditen von bis zu 25
Prozent waren auf die Dauer nicht haltbar, was innerhalb kürzester Zeit dazu führte, dass viele Aktionäre
wieder absprangen. Politische und andere Unglücke sorgten darüber hinaus für weitere Verluste. Einzig
Mexiko brachte erfreuliche Ergebnisse, blieb aber dennoch hinter den Erwartungen zurück. So stagnierte
die Kompagnie ab 1825 und wurde zwischen 1832 und 1843 liquidiert.

Heiko Schnickmann