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Deutsch-Amerikanischer Bergwerksverein

Der Deutsch-Amerikanische Bergwerksverein wurde als etwas jüngere Schwester der RWC am 26.
Dezember 1823 in Elberfeld gegründet. Das Startkapital wurde von Anfang an großzügig angelegt. Es
betrug 200.000 Taler, eine Aktie konnte mit 500 Talern gezeichnet werden. Grund für eine solche
Gründung hatte zum einen mit der seit dem späten Mittelalter auf den Südhöhen Wuppertals
stattfindenden Eisenverarbeitung zu tun, zum anderen mit den Verflechtungen in das östlich der
Doppelstadt liegende Ruhrgebiet. Das heutige bergische Städtedreieck Wuppertal, Solingen und
Remscheid war bereits im 18. Jahrhundert neben Düsseldorf die prosperierende Region des Herzogtums
gewesen. Durch Heirat und Verwandtschaft waren die Kaufleute in diesen Ortschaften miteinander
vernetzt, zum Teil bis in das Märkische hinein, etwa nach Hagen, wo mit Friedrich Harkort der Vater des
Ruhrgebiets geboren wurde. Dieser machte nicht nur in Barmen-Wichlinghausen seine Ausbildung bei
der Familie Mittelsten Scheid, er arbeitete auch mit Heinrich Kamp, dem Gründer der Bergischen IHK
von 1830, in der Stadt Wetter zusammen, um Dampfmaschinen für den Bergbau zu konstruieren.
Zudem war Heinrich Kamp der Schwager von Jakob Aders, dem Gründer der Rheinisch-Westindischen
Kompagnie und sollte zu einem der ersten Direktoren des Bergbauvereins werden.

Die Elberfelder Kaufleute hatten durch die Gründung und den schnellen Erfolg dieser Kompanie gezeigt,
was sie organisieren konnten und durch die skizzierten Verbindungen, war der Weg zum Bergbau nicht
weit.

Zeitgleich kam befeuert durch die Kriege gegen Napoleon in Deutschland die Ideen einer geeinten Nation
auf, die sich den Ideen von Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit verpflichtet sah. Das konnte nach dem
Wiener Kongress nicht lange gut gehen. Ort dieser Ideen des gesellschaftlichen Fortschritts waren die
Universitäten. Die Lehrkörper und Studenten litten unter rigiden Verordnungen, die die Freiheit der Lehre
beschränkten. 1819 wurde die Zensurfreiheit für Professoren abgeschafft und die Universität zu einer
überwachten Einrichtungen. Darunter litten auch die in Burschenschaften organisierten Studenten, die ab
1821 als verbotene Geheimbünde galten und gerichtlich verfolgt wurden. Was lag für einige dieser
Männer, die durch familiäre Bande an die Gründer und Direktoren des Vereins gebunden waren, ihr Glück
im Ausland zu suchen?

Ausschlaggebend für die Gründung des Deutsch-Amerikanischen Bergbauvereins für Mexiko waren zumeinen die seit Cortez berühmten Goldvorkommen des Landes, zum anderen die Berichte des RWC-
Agenten Louis Sulzer, die das Interesse am mexikanischen Bergbau weckten: “Schicken Sie mir nur 20.000 Dollar und ich remittiere Ihnen dagegen jährlich 40.000”, schrieb er in einem Bericht aus Mexiko nach Elberfeld.
Möglich war dies dadurch, dass nach den Freiheitskriegen in Mexiko unzählige Minen ohne Betreiber
gab, da diese oftmals in spanischer Hand gewesen waren, diese Spanier aber nicht mehr in Mexiko lebten.
Aber auch der Zustand der Minen war katastrophal. Da die Bergleute Mexikaner waren, ihre Bosse aber
Spanier, wurde der Freiheitskampf auch mit den Mitteln des Arbeitskampfes geführt. Minen wurden
geflutet, technische Geräte zerstört oder die Minen selber einfach vernichtet. Da die Bergwerke aber die
Quelle für den Wohlstand des Landes darstellten, war dieser Zustand schlicht unerträglich.

Treibende Kräfte hinter der Gründung des Vereins waren die Brüder Jung, Textilproduzenten aus dem
Bergischen. Ihr Neffe Wilhelm Stein wurde der erste Agent des Vereins in Mexiko. Er war ein Gewächs
der Burschenschaften. Er war Schüler von Christian Snell, dem Gründer der Deutschen Gesellschaften
und stand dessen Söhnen Wilhelm und Ludwig nahe, zwei bekennenden Burschenschafter. Weiteren
verfolgten Studenten aus diesen Verbindungen bot er Hilfe an, als diese aus anderen Teilen Deutschlands
in das als liberal geltende Rheinland flohen. Einer dieser geflohenen Studenten war Carl Sartorius, der
1817 am Wartburgfest, einer Versammlung zahlreicher studentischen Verbindungen, teilgenommen hatte.
Er reiste zusammen mit seinem Schwager in spe in das Haus von Stein, um mit diesem zusammen nach
Mexiko überzusetzen und dort in die Tat umzuwandeln, was er zusammen mit anderen Demokraten
bereits 1819 ausgearbeitet hatte: eine deutschsprachige Siedlung für in der Heimat politisch Verfolgte zu
eröffnen. Im März 1824 reiste die Gruppe, die aus insgesamt dreizehn Teilnehmern, darunter allein fünf Mitgliedern der Familie Stein, bestand, nach Mexiko.

Dort angekommen wohnten die deutschen Siedler in einem prächtiges Haus, das zuvor einem
einflussreichen Engländer gehört hatte, der sich wieder nach England aufmachte. Das Haus war groß
genug, um sowohl dem Bergwerksverein als auch den beiden Agenten der RWC Büro und Obdach zu gewähren. Es wurde bald zum Mittelpunkt der deutschen Siedler – auch derer, die nichts mit dem
Bergwerksverein zu tun hatten.

Die Entwicklung des Vereins entwickelte sich anfangs gut. Bis zum Jahre 1827 hatte man 24
Silbergruben, 4 Goldgruben, 1 Silber- und Goldgrube, 1 Bleigrube, 4 Eisensteingruben, 7
Amalgamierwerke und drei Schmelzhütten erworben. Der Verein beschäftigte 60 Deutsche, die für
Verwaltung und Begutachtung der Funde zuständig waren.

Die Gruben indes waren gar nicht das Eigentum des Vereins, sondern nur zu recht ungünstigen
Bedingungen gepachtet worden, die es den Eigentümern erlaubten wesentlich mehr Geld zu verdienen als
den Betreibern. Ein weiteres Problem war, dass es zu wenig Arbeiter gab, die sich die Gesellschaften
gegenseitig wegnahmen. Schließlich war der Ansturm auf die mexikanischen Gruben durch die
europäischen wie auch die mexikanischen Betreiber in den 1820er Jahren so groß, dass die Preise für jene
Dinge, die man zum alltäglichen Gebrauch unter Tage benötigte, wie Holz, Steine, Seile und anderes,
recht schnell in die Höhe schossen, so dass man in Elberfeld um finanzielle Zuschüsse bat. Das machte
die Aktie des Vereins nicht mehr sonderlich rentabel.

Die Folgen der Misswirtschaft wurden ab 1827 angegangen. Der Nachfolger Steins begann mit der
systematischen Schließung unrentabler Gruben und konzentrierte Material und Arbeiter auf die
verbliebenen. Trotz dessen war der Verein ein Verlustgeschäft, das jede Investition in ihn vernichtete.
1837 beschloss man daher seien Liquidation.

Was aber wurde aus der deutschen Kolonie? Sartorius, der koloniale Vordenker, wurde Landwirt, kaufte
ein gut nahe Veracruz und betätigte sich als Sprachrohr, um mehr Deutsche nach Mexiko zu locken. So
schrieb er:

“In Mexiko wird der deutsche Charakter, als der härtere, mehr nordische, durch den weicheren
hispanoindischen nicht dominiert, er wird im Gegenteil, wo sich beide Nationen messen, als der Stärkere
hervortreten. In den dünn bevölkerten Gegenden, wo kaum sechs bis acht Individuen auf die
Quadratmeile kommen, ist davon gar nicht die Rede, dort wird sich in größeren Ansiedlungen der
deutsche Charakter rein Deutsch erhalten. Aber auch da, wo sich beide Nationen messen, hat die
Erfahrung gezeigt, dass sich das deutsche Element oben erhält, nicht etwa weil es in Opposition mit dem
inländischen tritt, denn das ist nirgends der Fall, sondern weil ihm ein größerer moralische Halt
innewohnt. In den rein deutschen Familien in Mexiko hat sich deutsche Sprache und Sitte erhalten; die
Kinder lernen da von Jugend auf zwei Sprachen mit derselben Leichtigkeit, wie hier eine. Der Einfluss
germanische Elemente wird rückwirkend für die mexikanischen Zustände ein durchaus günstiger sein und
das wird auch von den einsichtsvolle der Nation erkannt und gewünscht.”

Zwar wurde sein Haus bis zu seinem Tod 1872 oftmals von Deutschen besucht und er selber machte es
auch zu einem Hort des Deutschtums, doch blieben seine Ideen einer Kolonie nationalistische
Träumereien. Der zitierte Text, in dem explizit davon gesprochen wurde, dass das Deutsche dem
Mexikanischen überlegen sei, ist rassistisch-völkisch motiviert und wie es in solchen Fällen oft der Fall
ist, zeigte die Wirklichkeit dem Wunschdenken die kalte Schulter. Die vornehmlichen deutschen
Auswanderer heirateten nämlich einheimische Frauen, die die Erziehung ihrer Kinder eben nicht im
deutschen Sinne vorantrieben.

Heiko Schnickmann